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== Geschichte der Synagoge zum Weißen Storch ==
== Geschichte der Synagoge zum Weißen Storch ==
Breslau und seine jüdische Bevölkerung blicken auf eine über 800jährige Stadtgeschichte zurück. Breslau wurde in seiner Geschichte durch unterschiedliche staatliche Zugehörigkeiten geprägt und ist immer schon ein Ort gewesen, an dem Menschen verschiedener Nationen, Kulturen und Konfessionen lebten.
Breslau und seine jüdische Bevölkerung blicken auf eine über 800jährige Stadtgeschichte zurück. Breslau wurde in seiner Geschichte durch unterschiedliche staatliche Zugehörigkeiten geprägt und ist immer schon ein Ort gewesen, an dem Menschen verschiedener Nationen, Kulturen und Konfessionen lebten.
Nachdem Schlesien durch Preußen in drei [[Schlesische Kriege|schlesischen Kriegen]] erobert worden war, begann das goldene Zeitalter der deutschen [[Juden in Breslau]]. Die jüdische Bevölkerung Breslaus zählte von 1925 an bis zum Jahr 1945 ca. 23.000 Personen, darunter bekannte Künstler, Wissenschaftler, Politiker und Kaufleute. Das machte Breslau zur drittgrößten jüdischen Gemeinde in Deutschland. Seit 1854 war Breslau Sitz des berühmten [[Jüdisch-Theologisches Seminar in Breslau|Jüdisch-Theologischen Seminars]], dem ersten Rabbinerseminar Preußens, in dem orthodoxe und reformierte Lehrer und Rabbiner ausgebildet wurden. Die Anwesenheit von Juden – unterbrochen durch Verfolgung und Vertreibung – hatte eine wesentliche Bedeutung für die Stadt und ihre wirtschaftliche Entwicklung. Diskriminierung und Isolierung konnten über Jahrzehnte hinweg den völligen Ausschluss der Juden aus dem politischen und kulturellen Leben der Stadt nicht verhindern. Die Synagoge zum Weißen Storch ist ein Zeugnis dieser Geschichte.
Nachdem Schlesien durch Preußen in drei [[Schlesische Kriege|schlesischen Kriegen]] erobert worden war, begann das goldene Zeitalter der deutschen [[Juden in Breslau]]. Die jüdische Bevölkerung Breslaus zählte von 1925 an bis zum Jahr 1945 ca. 23.000 Personen, darunter bekannte Künstler, Wissenschaftler, Politiker und Kaufleute. Das machte Breslau zur drittgrößten jüdischen Gemeinde in Deutschland. Seit 1854 war Breslau Sitz des berühmten [[Jüdisch-Theologisches Seminar in Breslau|Jüdisch-Theologischen Seminars]], dem ersten Rabbinerseminar Preußens, in dem orthodoxe und reformierte Lehrer und Rabbiner ausgebildet wurden. Die Anwesenheit von Juden – unterbrochen durch Verfolgung und Vertreibung – hatte eine wesentliche Bedeutung für die Stadt und ihre wirtschaftliche Entwicklung. Diskriminierung und Isolierung konnten über Jahrzehnte hinweg den völligen Ausschluss der Juden aus dem politischen und kulturellen Leben der Stadt nicht verhindern. Die Synagoge zum Weißen Storch ist ein Zeugnis dieser Geschichte.
Früher hatte sich auf dem Gelände der Antonienstraße 35, auf dem die Synagoge gebaut wurde, die Schenke „Zum Weißen Storch“ befunden, von dem die Synagoge vermutlich ihren Namen hat. Es gibt jedoch auch andere Quellen, die sagen, der Name wurde von einer naheliegenden Gerberei abgeleitet, die einer Familie Storch gehört hatte.
Früher hatte sich auf dem Gelände der Antonienstraße 35, auf dem die Synagoge gebaut wurde, die Schenke „Zum Weißen Storch“ befunden, von dem die Synagoge vermutlich ihren Namen hat. Es gibt jedoch auch andere Quellen, die sagen, der Name wurde von einer naheliegenden Gerberei abgeleitet, die einer Familie Storch gehört hatte.
=== Erste Pläne zum Bau der Synagoge ===
=== Erste Pläne zum Bau der Synagoge ===
Die Idee für den Bau einer zentralen Synagoge entstand 1790, als der dirigierende Minister für Schlesien, Graf [[Karl Georg von Hoym]], den Bau einer öffentlichen Synagoge für Breslau vorschlug. Sie sollte der gesamten jüdischen Gemeinde dienen, bei gleichzeitiger Schließung aller privaten Synagogen und Gebetshäuser in der Stadt. Die Zentralisierung sollte wohl die Kontrolle der jüdischen Gemeinde erleichtern. Der Plan wurde jedoch wegen des Widerstands der orthodoxen Juden nicht umgesetzt.
Die Idee für den Bau einer zentralen Synagoge entstand 1790, als der dirigierende Minister für Schlesien, Graf [[Karl Georg von Hoym]], den Bau einer öffentlichen Synagoge für Breslau vorschlug. Sie sollte der gesamten jüdischen Gemeinde dienen, bei gleichzeitiger Schließung aller privaten Synagogen und Gebetshäuser in der Stadt. Die Zentralisierung sollte wohl die Kontrolle der jüdischen Gemeinde erleichtern. Der Plan wurde jedoch wegen des Widerstands der orthodoxen Juden nicht umgesetzt.
1796 fand aber die Eröffnung einer Reformsynagoge, nämlich der Synagoge zum Tempel in der Antonienstraße 30 (heute ul. św. Antoniego), errichtet durch die [[Gesellschaft der Brüder|Gesellschaft der Brüder,]] statt. 1817 veranlasste eine erhebliche Mietsteigerung, dass der Gottesdienst vorübergehend privat abgehalten und langfristig ein größeres Gotteshaus geplant werden mußte.
1796 fand aber die Eröffnung einer Reformsynagoge, nämlich der Synagoge zum Tempel in der Antonienstraße 30 (heute ul. św. Antoniego), errichtet durch die [[Gesellschaft der Brüder]], statt. 1817 veranlasste eine erhebliche Mietsteigerung, dass der Gottesdienst vorübergehend privat abgehalten und langfristig ein größeres Gotteshaus geplant werden mußte.
=== Beginn des Bauvorhabens ===
=== Beginn des Bauvorhabens ===
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Am 7. Mai 2005 wurde auf Initiative von [[Bente Kahan]], einer norwegisch-jüdischen Künstlerin, in der Synagoge zum Weißen Storch das Zentrum für jüdische Bildung und Kultur in Breslau eröffnet. Ein Jahr später gründete Bente Kahan zusammen mit Maciej Sygit, einem sozial engagierten lokalen Unternehmer, die Bente Kahan Stiftung. Die Stiftung hat sich mit der jüdischen Gemeinde und der Stadt Breslau sowie dem Verband der Jüdischen Glaubensgemeinden in Polen zusammengetan, um die Synagoge zum Weißen Storch zu restaurieren. Der weitere Wiederaufbau wurde mit finanzieller Unterstützung der Stadt Wrocław durchgeführt. Von 2006 an leitet die Bente Kahan Stiftung die Restaurierungsarbeiten, die 2010 mit der feierlichen Wiedereröffnung der Synagoge abgeschlossen wurden. Im Jahr 2008 erhielt die Bente Kahan Stiftung einen Zuschuss des [[Europäischer Wirtschaftsraum|Europäischen Wirtschaftsraums]] (Island, Liechtenstein und Norwegen), um die Restaurierung des historischen Gebäudes und des umliegenden Innenhofs abzuschließen.
Am 7. Mai 2005 wurde auf Initiative von [[Bente Kahan]], einer norwegisch-jüdischen Künstlerin, in der Synagoge zum Weißen Storch das Zentrum für jüdische Bildung und Kultur in Breslau eröffnet. Ein Jahr später gründete Bente Kahan zusammen mit Maciej Sygit, einem sozial engagierten lokalen Unternehmer, die Bente Kahan Stiftung. Die Stiftung hat sich mit der jüdischen Gemeinde und der Stadt Breslau sowie dem Verband der Jüdischen Glaubensgemeinden in Polen zusammengetan, um die Synagoge zum Weißen Storch zu restaurieren. Der weitere Wiederaufbau wurde mit finanzieller Unterstützung der Stadt Wrocław durchgeführt. Von 2006 an leitet die Bente Kahan Stiftung die Restaurierungsarbeiten, die 2010 mit der feierlichen Wiedereröffnung der Synagoge abgeschlossen wurden. Im Jahr 2008 erhielt die Bente Kahan Stiftung einen Zuschuss des [[Europäischer Wirtschaftsraum|Europäischen Wirtschaftsraums]] (Island, Liechtenstein und Norwegen), um die Restaurierung des historischen Gebäudes und des umliegenden Innenhofs abzuschließen.
Das 2018 durch die Bente Kahan Stiftung restaurierte rituelle Bad ([[Mikwe]]) ist einzigartig und wird durch die Mitglieder der jüdischen Gemeinde wieder genutzt. Die Mikwe ist auch für Touristen zugänglich. Sie bietet neben Wechselausstellungen die Dauerausstellung ”Jüdischer Lebenszyklus,” die über Rituale, Feiertage und den jüdischen Kalender informiert, und dient als besonderer Veranstaltungsort für Performances und Konzerte. Das neue Kellergeschoss bietet Platz für Ausstellungen und Workshops, die von der Bente Kahan Stiftung angeboten und kuratiert werden.   
Das 2018 durch die Bente Kahan Stiftung restaurierte rituelle Bad ([[Mikwe]]) ist einzigartig und wird durch die Mitglieder der jüdischen Gemeinde wieder genutzt. Die Mikwe ist auch für Touristen zugänglich. Sie bietet neben Wechselausstellungen die Dauerausstellung ”Jüdischer Lebenszyklus,” die über Rituale, Feiertage und den jüdischen Kalender informiert, und dient als besonderer Veranstaltungsort für Performances und Konzerte. Das neue Kellergeschoss bietet Platz für Ausstellungen und Workshops, die von der Bente Kahan Stiftung angeboten und kuratiert werden.
Im Oktober 2019 wurde Bente Kahan mit dem [[Internationaler Brückepreis|Internationalen Brückepreis]] für ihre Arbeit ausgezeichnet. „Wenn wir unsere Geschichte im Jahr 2019 erzählen, also 80 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, ist es an der Zeit nicht mehr zu sagen ”wir” und ”die”, sondern ”uns”, unser gemeinsames Erbe“ (Auszug aus der Dankesrede Bente Kahans – Brückepreis 2019). Die Verleiher begründeten ihre Entscheidung wie folgt: „Durch ihr künstlerisches Schaffen, ihr Engagement und ihren Lebensweg sowie ihre persönliche Ausstrahlung stellt Bente Kahan eine Klammer dar, die viele Facetten europäischer Kultur, Religionen, Ethnien und Strömungen – darunter zentripetale Elemente, die aktuell an Präsenz und Wahrnehmung zunehmen – miteinander zu vereinen und zu versöhnen vermag. In diesem Sinne ist sie eine der exponierten Brückenbauerinnen in Europa.“ (Prof. Dr. Willi Xylander, Präsident der Gesellschaft zur Verleihung des Internationalen Brückepreises für das Jahr 2019<ref>{{Internetquelle |url=http://www.brueckepreis.de/?ID=124&art_param=17 |titel=2019 – Bente Kahan |abruf=2019-12-18}}</ref>).
Im Oktober 2019 wurde Bente Kahan mit dem [[Internationaler Brückepreis|Internationalen Brückepreis]] für ihre Arbeit ausgezeichnet. „Wenn wir unsere Geschichte im Jahr 2019 erzählen, also 80 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, ist es an der Zeit nicht mehr zu sagen ”wir” und ”die”, sondern ”uns”, unser gemeinsames Erbe“ (Auszug aus der Dankesrede Bente Kahans – Brückepreis 2019). Die Verleiher begründeten ihre Entscheidung wie folgt: „Durch ihr künstlerisches Schaffen, ihr Engagement und ihren Lebensweg sowie ihre persönliche Ausstrahlung stellt Bente Kahan eine Klammer dar, die viele Facetten europäischer Kultur, Religionen, Ethnien und Strömungen – darunter zentripetale Elemente, die aktuell an Präsenz und Wahrnehmung zunehmen – miteinander zu vereinen und zu versöhnen vermag. In diesem Sinne ist sie eine der exponierten Brückenbauerinnen in Europa.“ (Prof. Dr. Willi Xylander, Präsident der Gesellschaft zur Verleihung des Internationalen Brückepreises für das Jahr 2019<ref>{{Internetquelle |url=http://www.brueckepreis.de/?ID=124&art_param=17 |titel=2019 – Bente Kahan |abruf=2019-12-18}}</ref>).